"Versprengte" in Rußland und im Baltikum
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Karl Theodor Notthafft (Foto: Madeleine Patricia Notthafft)
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Karl Theodor Notthafft und dessen Sohn Friedrich Oskar
Franz Freiherr Notthafft von Weißenstein berichtet im 1. Band seiner
umfangreichen Familiengeschichte im Kapitel über den Familiennamen von einem
Theodor Notthafft, der als "bayerischer Angehöriger" 1891 Vicedirektor der
Diskontobank in St. Petersburg gewesen war. Zu seiner Lebensgeschichte ist
bisher noch nicht allzuviel bekannt geworden, ausser dass er ein begeisterter
Philatelist gewesen sein muss, denn die "Generalsammlung" des Bankiers Theodor
Notthafft aus St. Petersburg ging für sage und schreibe 140.000 Reichsmark in
den Besitz des Schwedischen Briefmarkensammlers Breitfuss über. Nach dem
Personenarchiv Amburger starb Karl Theodor Notthafft, dem 1896 eine
Auszeichnung des russischen Börsenvereins verliehen worden war, am 8. Februar
1898 fernab von Rußland im sonnigen Nizza. Leider ist es bisher nicht gelungen,
näheres über seine Abstammung in Erfahrung zu bringen.
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Friedrich Oskar Notthafft mit seiner ersten Frau Paula Renée (Foto: Madeleine
Patricia Notthafft)
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Für Friedrich Oskar Notthafft, den Sohn des in diesem in kyrillischer Schrift
geschriebenen Dokument als Handelsmann bezeichneten Karl Theodor Notthafft zu
St. Petersburg und seiner Ehefrau Klara, einer geborenen Bock, liegt eine am 4.
November 1921 ausgestellte Geburtsurkunde vor. Nach dieser hatte derselbe am 5.
Juni 1886 um 12.00 Uhr das Licht der Welt erblickt und war am 7. Dezember
dieses Jahres getauft worden. Als Taufpaten werden der Handelsmann Oskar
Lichtenstein und dessen Ehefrau Theresa, geb. Fechtel genannt. Am 27. Mai/9.
Juni 1907 verheiratete sich Friedrich Oskar Notthafft mit Paula Renée Kaestlin,
einer Schweizer Staatsangehörigen. Am 13. Juli 1923 stellte Paula Renée
Nothafft vor dem Gerichtspräsidium Steckborn in Mannenbach einen Antrag auf
Ehescheidung. In diesem Papier heißt es: "Herr Notthafft ist gebürtig von
Petersburg. Er befand sich dort nach Absolvierung seiner Studien in staatlicher
Stellung. Er hat sich am 9. Juni 1907 mit der Impeirantin in Petersburg
verheiratet. Das alte russische Reich kannte eine Ziviltrauung nicht, sondern
nur die kirchliche. Nach Ausbruch der Revolution, d. h. im Jahre 1921 hat sich
Herr Notthafft veranlasst gesehen, die Gattin und den im Jahre 1908 geborenen
Sohn Jean Theodor André in die Schweiz zu schicken. Er selbst ist in Petersburg
zurückgeblieben, wo er heute die Stelle eines Konservators im Museum Eremitage
bekleidet. Frau Notthafft hat mit ihrem Sohne auf dem ihrem Vater, Herrn
Kaestlin gehörenden Landsitz Luisenberg in Mannenbach Wohnsitz genommen." Die
Ehe wurde im Oktober 1923 geschieden. Friedrich Oskar Notthafft, dessen
ursprüngliche Nationalität im Personenarchiv Amburger als Deutsch angegeben
wird, war evangelisch-lutherisch und verheiratete sich noch einmal mit der
Kunstwissenschaftlerin Elena Georg. Beide Ehegatten verstarben 1942 in
Leningrad (= St. Petersburg).
Neben dem Sohn Friedrich Oskar ist auch eine Tochter Karl Theodor Notthaffts
bekannt. Sie war am 18. Januar 1893 oder 1895 in St. Petersburg zur Welt
gekommen und hieß Elisabeth Emilie Helene Notthafft. Von 1937 bis 1945 war sie
als ledige Schauspielerin und Dolmetscherin in Berlin gemeldet. Über ihr
weiteres Schicksal ist bisher nichts bekannt geworden.
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Wappen Schwarzbeckhof (Sammlung Brotze)
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Die Nothaft auf dem Schwarzbeckhof in Livland
Bei der Suche nach Internet-Seiten mit dem Familiennamen Nothaft konnte in der
von der Akademischen Bibliothek Riga ins Netz gestellten umfangreichen
genealogischen und landeskundlichen Sammlung Johann Christoph Brotzes
(1742-1823) ein livländischer Zweig der Familie Nothaft nachgewiesen werden.
Brotze war 1742 in Görlitz geboren, hatte an den Universitäten Leipzig und
Wittenberg studiert und lehrte ab 1768 insgesamt 46 Jahre lang am Lyceum in
Riga. In den langen Jahren seines dortigen Wirkens legte er eine umfangreiche
Sammlung historischen und familienkundlichen Materials an, darunter auch eine
Sammlung von Wappen livländischer Familien. Unter diesen findet sich auch das
einer Familie Nothaft, welches dem Wappen der schwäbischen Familie v. Notthafft
bis ins Detail gleicht: Das rote Schild zeigt zwei offene, silberne Adlerflüge.
Auf dem Helm sitzt als Kleinod ein roter Spitzhut aus dem zwei silberne
Adlerflüge wachsen. Die Helmdecken erscheinen Rot und Silber.
Siebmachers Wappenbuch des Adels der russischen Ostseeprovinzen (Neustadt/Aisch
1980, S. 135) gibt den livländischen Nothaften allerdings das Wappen der
bayerischen Namensvettern:
"In Gold ein blauer Balken. Auf dem blaugoldbewulsteten Helme zwischen 2 wie
der Schild gezeichneten Büffelhörnern ein gefleckter Brache imt rothem Halsband
sitzend. Decken: blaugolden."
Als Sitz der livländischen Familie Nothaft nennt Brotze das Gut Schwarzbeckhof
im Kirchspiel Marienburg.
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Schwarzbeckhof im Marienburgschen Kirchspiel im Walkschen Kreise (Latvian
Academic Library Riga, Sammlung Brotze)
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(1561) Der in der Topographischen Karte von Lettland
von 1935
Adamamuiza
und im baltischen historischen Ortslexikon (Köln, Wien 1990)
Adami
genannte Ort, liegt westlich der Stadt Marienburg (heute die lettische Stadt
Aluksn
). In der polnischen Regierungszeit in Livland (seit 1561) war das Gut durch
Schenkung in den Besitz eines Helmeken gelangt, welcher es seinem
Schwiegervater Nothaft verkaufte. Adam Nothaft erhielt den Besitz 1625 von
Generalgouverneur Jacob de la Gardie und 1638 durch Generalgouverneur Bengt
Oxenstierna bestätigt, weil sich dieser wegen seiner ärmlichen Umstände die
königliche Bestätigung nicht beschaffen konnte. Nach Adam Nothafts Tod
bestätigte Königin Christina 1650 seiner Witwe und deren Kindern den Besitz des
Schwarzbeckhofes. Bald darauf findet sich das Gut in den Händen von Lieutenant
Adam v. Nothaft, einem Sohn des Verstorbenen, von dem es um 1680 wiederum ein
Sohn Adam v. Notthafft erbte.
Dessen Sohn Karl Gustav v. Nothaft erscheint 1733 im Besitz des
Schwarzbeckshofes; seine beiden Söhne Reinhold Johann und Carl Gustav dienten
beide im kaiserlich russischen Leibgarde-Regiment zu Pferd und deren Bruder
Bernd Erich war - nach Brotze - der nächste Inhaber des Gutes. Nach dem
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Stammbaum der Familie Notthafft auf Schwarzbeckhof in Livland
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Beiträgen zur Geschichte der Rittergüter Livlands von L. v. Stryk (Teil 2, der
lettische Distrikt, Dresden 1885) war der mit Anna Sophie Nothaft vermählte
Capitain Georg Albrecht v. Wulf 1768 Pfandhalter des Schwarzbeckshofes. 1785
verpfändete der Major Carl Gustav v. Nothaft denselben um 500 Taler den Söhnen
Anna Sophies, Carl Johann und Ludwig Theodor v. Wulf. Nach der Rücklösung im
Jahr 1804 verpfändete der Obrist Johann v. Nothaft das Gut um 23.025 Rubel, 100
Loof Gerste und 100 Loof Hafer dem kurländischen Hofrat Magnus Johann Scotus,
der es drei Jahre später zum selben Preis seiner Tochter Johanna Pierson
übergab. Diese veräußerte den Besitz 1810 für 8000 Taler an den Rittmeister und
späteren Landrat Adolf v. Wulf, der denselben am 7. August 1818 als Eigentum
zugeschrieben erhielt.
Schließlich berichtet Franz Freiherr Notthafft v. Weißenstein in seiner
Familienchronik von einem russischen General Graf Nothafft, der 1869 in
Stuttgart gewesen war und der dasselbe Wappen im Siegel führte, wie die Nothaft
von Rems in Württemberg, was den Schluß nahelegt, daß dieser General ein
Nachkomme der Nothaft auf dem Schwarzbeckhof gewesen ist. Daß dieser russische
General nicht nur auf Kurzbesuch in Stuttgart war, beweisen übrigens die
Einwohnerverzeichnisse der Stadt, nach denen P. v. Nothafft, General von 1868
bis 1870 in der Olgastraße 16.1 in Stuttgart wohnte.
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