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Der Reichssaal in Regensburg zur Eröffnung des Reichstages 1653
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Sicherlich spielen Sitzordnungen auch noch heute bei offiziellen Anlässen eine
wichtige Rolle, aber wohl kaum irgendwo anders erscheint das Machtgefüge des
Alten Reiches so anschaulich wie im Reichssaal des Alten Rathauses zu
Regensburg. Der Sitz des Kaisers oder dessen Vertreters, des
Prinzipalkommissars, befand sich an der südlichen Schmalseite des Saales auf
einem Podest mit vier Stufen, die mit rotem Tuch bespannt waren. Beiderseits
des kaiserlichen Thrones, allerdings zwei Stufen tiefer, saßen die weltlichen
und geistlichen Kurfürsten oder deren Vertreter auf rotbezogenen Bänken. Die
Bänke an den beiden Langseiten des Saales, nur eine Stufe hoch und grün
bezogen, waren für die Reichsfürsten oder deren Gesandte bestimmt. Die
westliche Bankreihe war den weltlichen Fürsten vorbehalten, auf der östlichen
nahmen die geistlichen Fürsten Platz. Da es sich bei diesen fast durchwegs um
solche katholischer Konfession handelte, errichtete man für die zwei
evangelischen Bischöfe von Osnabrück und Lübeck eine eigene Bank links vorne im
Saal und dem Rang der Reichsfürsten entsprechend, eine Stufe hoch und mit
grünem Tuch bezogen. Die Fläche des Saales nehmen - ohne Erhöhung - zwei Reihen
einfacher Bänke ein. Die Bänke vorne links waren den schwäbischen und
rheinischen Prälaten vorbehalten; die der rechten Seite den schwäbischen,
wetterauischen und westfälischen Grafen. Nach rückwärts folgten die Vertreter
der Reichsstädte, die ebenfalls in eine "Rheinische Bank" und eine "Schwäbische
Bank" geschieden waren. Hinter diesen, getrennt durch eine Schranke hatten die
Sekretäre und das Personal der Gesandten ihren Platz.
Immerhin hatte die Wernberger Linie der Familie Notfhafft mit dem
Reichshofratsvice-präsidenten Johann Heinrich v. Notthafft (1604 - 1665) ihren
Platz auf der "Grafenbank" errungen; einer aus der Familie v. Notthafft aber
durfte sogar auf der Bank der geistlichen Fürsten Platz nehmen: Cajetan Anton
Maria Joseph Freiherr Notthafft von Weißenstein (aus der Bodensteiner Linie),
der von 1732 bis 1751 als Fürstpropst des Stifts Berchtesgaden wirkte. —Grund
genug für mich, nach Spuren und Hinterlassenschaften dieses hohen Herrn zu
suchen. Im August 2001 machte ich mich deshalb in Richtung Süden auf die Reise.
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Marquartstein auf einer Ansichtskarte von 1915 und im August 2001
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Wo fängt man mit der Suche nach Spuren eines vergangenen Lebens wohl besser an,
als am Ursprungsort desselben. Cajetan Anton Notthafft hatte am 23. Juni 1670
in der über dem Eingang zum Achental wachenden, inmitten einer herrlichen
Gebirgslandschaft auf einem in das Tal vorspringenden Felssporn des Hochgerns
thronenden Burg Marquartstein das Licht der Welt erblickt. Er war der Jüngste
von den zehn Kindern des Achatz Adam Notthafft von Weißenstein, der von 1654
bis zu seinem Tod als Pfleger zu Marquartstein wirkte. Die letzte Nachricht von
ihm ist seine Erhebung in den Freiherrnstand am 23. August 1681. 1676 hatte er
sich als kurbayerischer Kämmerer, Kriegsrat, Oberstküchenmeister sowie Pfleger
und Kastner zu Marquartstein tituliert. Vom Vater übernahm Marquard Ludwig
Ferdinand das Amt als Pfleger in Marquartstein; 1687 scheint er dasselbe an
seinen Bruder Achatz Ludwig abgetreten und nach dessen Tod 1698 wieder
übernommen zu haben. 1714 erscheint dann Johann Albrecht Achatz Ludwig
Notthafft, der Sohn Marquard Ludwigs, als Pfleger und Kastner in Marquartstein,
welches Amt er bis 1760 bekleidete; er starb am 20. September 1763 und liegt in
Grassau begraben. So war die Pflege Marquartstein drei Generationen und über
100 Jahre lang in den Händen der Familie v. Notthafft gewesen.
Leider war es mir nicht vergönnt gewesen, diese Burg, die über ein Säkulum die
Heimstatt eines Astes der Familie Notthafft war, näher in Augenschein zu
nehmen. Der heutige Besitzer wies die vor der Fahrt telefonisch vorgetragene
Bitte nach einer Schloßbesichtigung freundlich aber entschieden zurück. So
blieb nur die Information aus Dehio's Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler
(Bd. IV, München und Oberbayern, S. 623):
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Der gewölbte Torweg von Burg Marquartstein
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Schloß.
Um 1075 im Besitz des Grafen Marquart von Hohenstein aus dem Geschlecht der
Chiemseegrafen von Baumburg. 1259 wittelsbachisch unter Herzog Heinrich III.,
bald darauf Pfleggericht. Seit dem 19. Jh. wechselnde Besitzer.
In beherrschender Lage auf einer Felsnadel über dem Ort und durch einen Graben
mit z.T. noch flankierenden Mauern vom vorliegenden Plateau geschieden. —
Mittelalterliche Abschnittsburg über ersten Bauanlagen wohl des späten 11.
Jh.s. 1857 durchgreifend saniert. Renovierung seit 1987. — Um einen
unregelmäßigen kleinen Innenhof gruppierter zwei- bis dreigeschossiger Komplex;
die Satteldächer mit Schopfwalmen. Westlich Hauptbau, südlich der heute
ausgebaute ehem. Wirtschaftstrakt, östlich der ehem. stattliche Zehntkasten mit
3,50 Meter dicker Ostmauer aus Bruchsteinmauerwerk, innen großer Saal mit
umlaufender Galerie. Vorspringender rechteckiger Torbau mit Treppengiebel,
rundbogiger Einfahrt und kreuzgewölbtem Torweg. Mehrere Keller mit
Stichkappentonnen.
Doch wenigstens die östlich des Burggrabens gelegene Schloßkapelle St. Veit und
Bartholomä lud mittels ihrer offenen Pforte zu einer kurzen Besichtigung ein.
Das Kirchlein, das nach einem Brand in den Jahren 1844/45 mit Einbeziehung des
gotischen Chores und der mittelalterlichen Grundmauern wiedererrichtet wurde,
birgt unter seiner einheitlich klassizistischen Ausstattung Altarblätter und
Schnitzfiguren aus dem 17. Jahrhundert.
Hier also war Cajetan Anton aufgewachsen. Achatz Adam hatte alle seine Söhne
nacheinander zum Studium nach München geschickt. 1689 - im Alter von 19 Jahren
- war Cajetan Anton als Novize im Stift Berchtesgaden aufgenommen worden; am
24. Juni 1690 feierte er seine Profeß. Nachdem er 1694 als Stiftsherr und
Kapitular angenommen worden war, wirkte er seit 1697 als Stiftseinnehmer.
Von Marquartstein aus ging es dann durch ein Nebental der Tiroler Ache über
Unter- und Oberwössen nach Reit im Winkl. Als sich im Zuge des Spanischen
Erbfolgekrieges Österreichische Truppen ins Land ergossen und am 16. Mai 1705
München eingenommen hatten, hielt es den jungen Stiftsherrn Cajetan Anton nicht
mehr in Berchtesgaden. Wohl bei Marquartstein, wo seine Mutter Maria Juliana,
geb. Kapfer von Pilleck und Talersdorf, sowie seine Schwägerin Maria Magdalena,
geb. Freiin v. Pappenheim, wohnten, stellte er sich an die Spitze eines
bayerischen Fähnleins, welches unter seiner Führung die Kaiserlichen in Reit im
Winkl überfiel und in die Flucht schlug. Danach versuchte er sich mit einem
falschen Paß und in weltlichen Kleidern in die Niederlande durchzuschlagen, wo
er den Kurfürsten Max Emanuel aufsuchen wollte. Dabei allerdings wurde er von
kaiserlichen Truppen aufgegriffen und im "Grafenstüberl" des Alten Hofes in
München arrestiert, bis er auf Intervention seines Bruders, des kurfürstlichen
Kammerherrn Marquard Ludwig Notthafft, aus der Haft entlassen wurde und er nach
Berchtesgaden zurückkehren konnte. Dort angekommen wurde dem jungen Stiftsherrn
sein Patriotismus mit klösterlicher Zucht ausgetrieben; der Kaiser hatte
angeordnet,
daß man ihn im Kloster bestrafe, den andern zum Exempel.
In der Folge entwickelte sich Cajetan Anton Notthafft zu einer der führenden
Persönlichkeiten des Stifts. Er organisierte den Widerstand gegen den Handel
mit kirchlichen Würden und betonte die Forderung des Stifts nach einem Propst
aus den eigenen Reihen und begab sich somit in Opposition zu den konträren
Bemühungen des Hauses Wittelsbach. So wirkte er am 9. Januar 1724 entscheidend
an der Wahl Julius Heinrichs von Rehlingen zum Propst mit und wurde daraufhin
am 28. Februar desselben Jahres selbst zum Stiftsdekan gewählt.
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Reit im Winkl auf einer Ansichtskarte von 1929
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Reit im Winkel hinter mir lassend fuhr ich weiter, am Weitsee und Mittersee
vorbei, in Richtung Bad Reichenhall. Von dort aus folgte ich der B 20 in das
Tal der Bischofswieser Ache zwischen den Massiven von Predigtstuhl und
Untersberg hindurch. Hinter Bayerisch Gmain überwindet die Straße in
Serpentinen einen steilen Anstieg und als dessen Höhe erreicht war trat ich
nicht nur wegen eines die Straße kreuzenden Bahngleises auf die Bremse. Vor mir
- links (östlich) der Straße stand ein mittelalterlicher Turm; er hat schon
viel über sich ergehen lassen müssen und ist nicht mehr im besten Zustand; aber
ein Maueransatz zeigt, daß er einst mit Hilfe einer quer zum Tal verlaufenden
Wehrmauer den Paß sperrte. Jenseits (westlich) der Straße war diese Mauer in
einigen zum Teil sogar ansehnlichen Fragmenten noch erhalten. Das Ortsschild
verriet, daß ich hier den Hallturm vor mir hatte; also wohl eine Zollstation an
einer alten Salzhandelsroute. August Sieghardt (Südostbayerische Burgen und
Schlösser, Berchtesgaden/Schellenberg 1952) verriet mir, daß der Turm aus dem
späten 13. Jahrhundert stammt und ursprünglich höher war. Am Ende des 19.
Jahrhunderts hatte man ihn als Wohnung für den Bahnwärter eingerichtet und
damals eine Tür auf der Nordseite (Angriffseite!) in sein Mauerwerk gebrochen.
Den Anlaß zum Bau einer Befestigung an dieser Stelle hatten die Reichenhaller
Bürger gegeben, die 1193 über diesen Paß in das
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Der Hallturm bei Berchtesgaden
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Ansichtskarte von Berchtesgaden, 1929
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Der äußere Schloßhof mit Propstei und Stiftskirche
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Berchtesgadener Land eindrangen
um das Hochstiftische Salzbergwerk am Gorlenbach unbrauchbar zu machen. Fortan
war der Hallturm bis in die Zeit Napoleons hinein oftmals hart umkämpft.
Nachdem ich den Hallturm von allen Seiten in Augenschein genommen hatte, setzte
ich meinen Weg fort und war in kurzer Zeit in Berchtesgaden, bereit mich auch
hier auf Spurensuche zu begeben. Nachdem Julius Heinrich v. Rehlingen am 19.
Juni 1732 verstorben war, versuchte der Münchener Hof mit Johann Theodor, einem
Bruder des regierenden Kurfürsten Carl Albrecht, erneut einen Wittelsbacher als
Fürstpropst in Berchtesgaden zu installieren. Immerhin hatte der Kandidat
bereits die Bischöfstühle von Freising und Regensburg inne. Mit der offenen
Drohung, die Salzausfuhr nach Bayern oder die Getreideeinfuhr nach
Berchtesgaden zu blockieren, versuchten die bayerischen Nachbarn die Wahl des
neuen Fürstpropstes zu beeinflussen; dennoch wählte das Stiftskapitel am 18.
August 1732 mit 7 zu 2 Stimmen den damals 62jährigen bisherigen Dekan Cajetan
Anton Notthafft zum Nachfolger Rehlingens. Der Fürstpropst residierte im
heutigen Schloß Berchtesgaden, welches aus den Konventgebäuden des 1108
gegründeten Augustiner-Chorherrenstift hervorgegangen ist. Die unter dem
letzten Wittelsbacher Fürstpropst Joseph Clemens um 1710 begonnenen
Bauarbeiten, die das Ziel hatten, aus den alten Stiftsgebäuden ein Schloß zu
machen, wurden auch unter Fürstpropst Cajetan Anton weitergeführt. Besonders
konzentrierten sich die Arbeiten auf den bereits im 16. Jahrhundert
entstandenen Kanzleibau im Süden des großen Schloßplatzes und die rechtwinklich
im Osten daran anstoßende, zwischen 1532 und 1548 errichtete Propstei. In die
Zeit um 1733 fällt konkret auch die Errichtung des kleinen sogenannten
"Balbierstöckchens", welches südlich an das mittelalterliche Dormitorium im
Osten der um den Kreuzgang angeordneten Konventgebäude angebaut wurde. August
Sieghard schreibt in seinem Werk über Südostbayerische Burgen und Schlösser:
Fürstpropst Cajetan Notthafft Freiherr von Weißenstein, Mitglied eines
oberpfälzischen Adelsgeschlechts, nahm zwischen 1732 - 50 einen Anbau nach
Westen vor und ganz zuletzt, wenige Jahre vor der Säkularisation, die der
Kloster- und Fürstenherrlichkeit in Berchtesgaden ein jähes Ende machte, begann
man noch mit dem
(daran anschließenden)
Anbau im Westen, der innen und außen unvollendet blieb.
Leider war mir - so sehr es mich auch interessiert hätte - eine Besichtigung
des Schlosses nicht möglich gewesen, da dasselbe mitten während des
Ferienmonats August und noch dazu an einem Wochenende geschlossen hatte. So
wandte ich mich der dem Propsteibau benachbarten Stiftskirche zu, die den
Besucher in der Vorhalle mit ihrem herrlichen romanischen, in der 2. Hälfte des
12. Jahrhunderts entstandenem Hauptportal empfängt.
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Blick vom Chorraum der Stiftskirche in das Langhaus, links ein Teil von Cajetan
Antons Oratorium, rechts sein Epitaph
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Epitaph für Fürstpropst Cajetan Anton
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Im Inneren erscheint die
Kirche als eine dreischiffige gotische Hallenkirche mit einem um 1300
entstandenen frühgotischen Chor und einem in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts
im Stil der Spätgotik umgestaltenen Langhaus. Dass Fürstpropst Cajetan Anton
Notthafft auch hier gestaltend gewirkt hat beweist ein zwischen dem Chorbogen
und der südlichen Wand des Chorraumes angebrachtes schönes, mit zarter
Bandwerk- und Blütenornamentik verziertes Oratorium, über dessen Fenster sein
aus Stuck gearbeitetes Wappen prangt. Unweit dieses Gebetserkers fand er auch
seine letzte Ruhestätte. Am 17. Oktober 1751 war er - inzwischen 81jährig - von
seinem Amt zurückgetreten; gut ein halbes Jahr später, am 4. Juli 1752,
beendete er seine irdische Pilgerschaft. Beigesetzt wurde er am 7. Juli in der
Stiftskirche und zwar vor den Stufen des Chores zwischen Kreuzaltar und
Rosenkranzaltar. Sein aus verschiedenfarbigem Marmor gearbeitetes Epitaph ist -
gegenüber des gleichförmig gearbeiteten Grabsteins seines Vorgängers Julius
Heinrich Frhr. v. Rehlingen - an der Innenseite des nördlichen Chorbogens
angebracht.
Zu den wichtigsten Hinterlassenschaften Cajetan Antons zählt sicherlich die in
den Jahren 1734/35 angeschaffte Festgarnitur für den Hochaltar der
Stiftskirche. Diese besteht aus einem aus Kupfer gearbeiteten, vergoldeten und
mit Silberauflagen verzierten Tabernakel und dem aus feuervergoldeten Kupfer
gefertigten und mit Silbertreibarbeiten verzierten Festantependium. Die
Gesamtkosten für die Anschaffung dieser Festgarnitur beliefen sich auf 15.615
Gulden und 5 Kreuzer; es handelt sich um Werke des Augsburger Goldschmieds
Franz Thaddäus Lang. In den Jahren 1735/36 schaffte Cajetan Anton noch eine
große, mit seinem Namen und Wappen versehene Ampel an; sie trägt die
Meistermarke des Augsburger Goldschmieds Christian Lütkens. Da diese
Festgarnitur nur zu den Hohen Feiertagen, also zu Weihnachten und Ostern, die
Kirche schmückt, war es mir - trotz vorheriger Anfrage beim zuständigen
Pfarramt - nicht möglich dieselbe in Augenschein zu nehmen.
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Das Wappen Cajetan Antons im Museum Schloß Adelsheim
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Im Heimatmuseum Schloss Adelsheim wurde mir von der Leiterin, Frau Bärbel Sigl,
ein herzlicher Empfang bereitet. Schon im Vorfeld meiner Fahrt hatte ich mich
erkundigt, ob es auch in diesem Museum Spuren von Cajetan Anton Notthafft zu
finden gibt. So kam ich nun, um sein mir angekündigtes, aus Holz geschnitztes
fürstpröpstliches Wappen unter die Lupe zu nehmen. Das Museum präsentiert sehr
anschaulich und reichhaltig die Volkskunst des Berchtesgadener Landes und hier
besonderst die hier einst hoch in Blüte stehende Holzhandwerkskunst, wie etwa
die Schnitzerei oder den Bau von Holzblasinstrumenten. Im 1. Obergeschoß des
1614 durch den Stiftsdekan Deginhard Neuchinger errichteten Schlosses, fand ich
dann auch das gesuchte Wappen. Es handelt sich um eine hochrechteckige
Holztafel mit oben und unten gerundeten Schmalseiten auf der in
Relieffschnitzerei des Wappen des Fürstpropstes Cajetan Anton dargestellt es.
Das Schild ist geviert und zeigt oben rechts und unten links je zwei gekreuzte
Schlüssel sowie oben links und unten rechts jeweils sechs Lilien - das Wappen
des Stifts Berchtesgaden. In der Mitte über der Vierung befindet sich als
Herzschild das bekannte Wappen der Familie Notthafft. Auf dem Schild befinden
sich drei Bügelhelme. Der Rechte zeigt als Kleinod die beiden gekreuzten
Schlüssel aus dem Stiftsschild; der Mittlere trägt als Zeichen der geistlichen
Würde eine Mitra, auf dem Rechten ist mit Büffelhörnern und Bracke die Helmzier
und das Kleinod des Notthafft-Wappens zu erkennen. Über allem ist - als Zeichen
der weltlichen Würde - ein Fürstenhut drapiert. Das gesamte Arrangement ruht
gewissermaßen über den gekreuzten Insignien der weltlichen und geistlichen
Macht, über Schwert und Stab.
Obwohl unser Fürstpropst mit dem nach ihm benannten Cajetan-Anton-Werk auch im
Salzbergwerk Berchtesgaden seine Spuren hinterlassen hat, entschloß ich mich
nun zu einer Schiffahrt auf dem Königssee.
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Schloß und Kirche St. Bartholomä
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Schon Fürstpropst Jakob Püttrich (reg. 1567 - 1594) hatte den Chorherrn das
Waidwerk, den Fischfang sowie Seefahrten erlaubt und ihnen sogar gestattet,
dabei bequeme Kleidung anzulegen. Nachdem offensichtlich diesbezüglich
Mißstände eingetreten waren, verordnete der wittelsbachische Fürstpropst Joseph
Clemens, der zugleich auch Erzbischof und Kurfürst von Köln gewesen ist,
wiederum das schwarze Ordenskleid und verbot den Chorherren ausschweifende
Lustpartien nach St. Bartholomä. Cajetan Anton v. Notthafft jedoch kam dem wohl
lange gehegten Wunsch seiner Mitbrüder nach und erlaubte es den Kapitularen in
der Wahlkapitulation, die er 1732 anläßlich seiner Wahl zum Fürstpropst
ausgestellt hatte, unter anderem wieder, daß diese ihre freie Zeit in
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Der rechte Seitenaltar in der Kirche St. Bartholomä
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St. Bartholomä verbringen dürfen. August Sieghardt berichtet 1952 in seinem
Büchlein über südostbayerische Burgen und Schlösser, daß Fürstpropst Cajetan
Notthafft von Weissenstein, der Vollender der Wallfahrtskirche Maria Kunterweg
in der Ramsau, daß Schlößchen bei der Kirche St. Bartholomä in seiner jetzigen
Form fast ganz neu erbaut habe. Das Schlößchen, so zitiert Sieghardt den
Bericht eines alten Chronisten, diente den Stiftskapitularen und Stiftspropsten
Berchtesgadens zum Sommeraufenthalt,
"sie hatten hier freye Unterkunft, Fischfang und Jagd, besonders bey
Alpenreisen war diese ihnen mit Beyziehung eines Jägers gestattet und bey der
Anwesenheit des Fürstpropstes im Schlosse St. Bartholomä wurden sie
gastfreundlich an seine Tafel gezogen".
Und auch in der Kirche St. Bartholomä, die in den Jahren 1698 bis 1709 durch
Erweiterung des mittelalterlichen Kirchleins ihre heutige Gestalt erhielt, hat
Cajetan Anton Notthafft seine Spuren hinterlassen. Der Überlieferung zufolge
ließ er die beiden Altäre in den Seitenkonchen aufstellen; Arbeiten aus dem 17.
Jahrhundert, die 1746 angeblich aus der Stiftskirche Berchtesgaden nach St.
Bartholomä kamen und hierbei neue Altarblätter erhielten.
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Wallfahrtskirche Maria Kunterweg
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Mir fehlte es bei der Masse von Touristen, die mit mir nach St. Bartholomä
gekommen waren, an der nötigen Phantasie um mir vorstellen zu können, wie es
wohl gewesen sein könnte, wenn Fürstpropst Cajetan Anton mit seinen
Kapitularen hier in dieser überwältigenden und einst wohl beschaulichen
Gebirgslandschaft seine "Ferien" in der Sommerfrische verbrachte. Damals musste
man wohl noch keine gute Stunde warten, um endlich einen Platz auf einem voll
besetzten Königssee-Boot zu ergattern. Nachdem ich durch das Gewimmel im Dorf
Königssee glücklich zu meinem Auto auf dem Großparkplatz zurückgefunden hatte,
machte ich mich auf zum letzten Ziel meiner Reise auf den Spuren Cajetan
Antons: Der Wallfahrtskirche St. Mariä Himmelfahrt am Kunterweg bei Ramsau.
Hinter der Pfarrkirche St. Fabian und Sebastian in Ramsau führt ein mäßig
ansteigender, von Kreuzwegstationen gesäumter Fußweg empor zu dem in einsamer
Höhe über einem bewaldeten Tal und vor einer eindrucksvollen Gebirgskulisse
gelegenen Gotteshaus, welches ich langsamen Schrittes nach einem Fußmarsch von
etwa 15 Minuten erreichte. Die Wallfahrtskirche wurde im Auftrag des Stifts
Berchtesgaden in den Jahren 1731 bis 1733 als Nachfolgebau einer kleinen
Kapelle nach Plänen und unter der Leitung des Salzburgers Sebastian
Strumpfegger errichtet.
Am Vorabend der Benediktion des neu gewählten Fürstpropsts Cajetan Anton
Notthafft, die am 15. November 1732 durch den Augsburger Weihbischof Johann
Jakob v. Mayr zelebriert wurde, war es zu einem förmlichen Aufstand im Markt
Berchtesgaden gekommen, da die Bürgerschaft in ihren Gewerben großen Schaden
befürchtete, wenn der als Gegner der Protestanten bekannte Cajetan Anton v.
Notthafft - so wie es im benachbarten Salzburger Land bereits geschehen war -
die Lutheraner aus dem Berchtesgadener Stiftland vertreiben würde. Der neue
Fürstpropst zwang die Protestanten nicht zur Auswanderung, ließ jedoch alle
ihre Besitztümer aufzeichnen, untersagte ihre Zusammenkünfte und verbot ihnen
die Fertigung von Holzwaren, womit er ihnen ihren Haupterwerbszweig nahm. So
machten sich bereits am 29. November 1732 etliche hundert Protestanten auf den
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Das Deckenfresko in der Wallfahrtskirche
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Weg nach Holland. Die Auswanderungswelle dauerte bis in den Sommer 1733; viele
geschickte Schnitzer fanden Aufnahme in Preußen und Franken und besonders die
Stadt Nürnberg profitierte von den geschickten aus Berchtesgaden vertriebenen
Holzkünstlern, welche den Nürnberger Spielwarenmanufakturen in der Folge zu
"Weltruhm" verhalfen.
An die Vertreibung der Lutheraner aus dem Berchtesgadener Land erinnert das
Deckenfresko in der Wallfahrtskirche St. Mariä Himmelfahrt am Kunterweg,
welches Innocenz Worati aus Burghausen im Auftrag Cajetan Antons geschaffen
hat. Es zeigt die mit ausgebreiteten Armen auf einer Wolke stehende, mit einem
Strahlennimbus und zahlreichen Engeln umgebene Gottesmutter. Unter der Wolke
erkennt man das Stift Berchtesgaden mit den Schloßgebäuden, der Stiftskirche
und der Pfarrkirche. Links davor, auf einer Mauer stehend, der Heilige
Augustinus als Ordenspatron der Berchtesgadener Chorherren; ihm gegenüber, auf
der rechten Seite der Mauer kniend, ein Genius mit dem Stiftswappen. Vor der
Mauer eine Gruppe von 14 Personen, welche die aus dem Stiftsgebiet vertriebenen
Protestanten symbolisiert, auf die ein unter der triumphierenden Gottesmutter
vor der Wolke schwebender Engel Blitze schleudert. Ein unter den unglücklichen
Vertriebenen in einer Kartusche zu lesendes Chronogramm informiert (aus dem
Lateinischen übersetzt):
"Auf Fürbitte der unbefleckten Jungfrau und Mutter ist der verderbende
Irrglaube hier von dieser Kirche ausgetrieben worden
(1733)".
So mag man über Cajetan Antons Wirken, insbesondere hinsichtlich des
letztgenannten Aspekts seiner Regierungszeit, geteilter Meinung sein. Fest
jedoch steht, daß er sich in jungen Jahren als bayerischer Patriot hervortat,
sich zweimal erfolgreich gegen die wittelsbachische Forderung der Propstwahl
extra gremium
durchsetzte und auch sonst im allgemeinen seinem Amt segensreich vorstand.
Nicht wenige der von ihm angeregten und beauftragten künstlerischen und
baulichen Hinterlassenschaften seiner Zeit, erinnern noch an ihn. Seltsam ist
nur der Umstand, daß - im Gegensatz zu seinen Vorgängern und Nachfolgern -
bisher kein Portrait von ihm bekannt geworden ist.
Harald Stark, Dezember 2001
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