Ingolstadt und die Familie NotthafftDie Hohe SchuleDer Grund, warum sich zahlreiche Familienmitglieder, vor allem in jungen Jahren über kurze oder längere Zeit in Ingolstadt aufhielten, war die 1472 durch Herzog Ludwig IX. - "den Reichen" - von Bayern-Landshut gegründete "Hohe Schule"; die erste und lange Zeit einzige Universität in Bayern und die elfte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Längst war, durch die sich infolge der rasch fortschreitenden Entwicklung der Feuerwaffentechnik veränderte Militärtaktik, das Ende der mittelalterlichen Ritterheere eingeläutet, als Martin Mair, der herzogliche Kanzler, Humanist und geistige Vater der Ingolstädter Universität, bei deren Eröffnung verkündete, dass die Studien "die Leute von geringerer Geburt zu hoher Stellung" führten und der Adel der Gelehrsamkeit dem Adel der Geburt gleichkomme. Rund hundert Jahre später meinte Markgraf Georg Friedrich zu Brandenburg-Ansbach, dass er es schon "mit allerlei Dienern versucht, mit Grafen, Herrn und Edelleuten. Doch hätte er befunden, daß die unadelichen, die Schreiber, die besten und nützlichsten wären und dazu die geringste Besoldung nähmen." Schon frühzeitig hatten die Notthafft die Zeichen der Zeit richtig gedeutet und ließen ihre Söhne durch Universitätsstudien auf ihre künftige Laufbahn in landesherrlichen Diensten oder aber in kirchlichen Ämtern vorbereiten. Schon drei Jahre nach Gründung der Hohen Schule wurde am 12. Dezember 1475 "Herr Heinrich Nothaft, Domherr in Speier" immatrikuliert. Er stammte aus der schwäbischen Linie der Familie und war wohl der jüngste Sohn von Werner IV. Nothaft von Hohenberg (+ ca. 1484). 1 Ihm folgte 1477 ein adeliger Georg Nothaft, der leider zunächst nicht zuordenbar erscheint. Bis 1727 sind mehr als 40 Glieder der Familie Notthafft in den Matrikeln der Universität Ingolstadt verzeichnet:
Cajetan Ferdinand Maximilian Notthafft von WeißensteinEine wichtige Rolle kam Ingolstadt in der Landesverteidigung zu. Ab 1537 begannen die Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig die schon im Mittelalter mit festen Mauern und nicht weniger als 87 Türmen umwehrte Stadt "dermaßen zu befestigen, daß sie ihnen durch keine menschliche Gewalt so leicht abgedrungen" werden könne. Immer wieder wurden die Festungsanlagen erweitert und modernisiert, bis sie gegen Ende des Jahres 1800 unter Einsatz vom 6000 Arbeitern im Auftrag Frankreichs gründlich demoliert wurden. Ab 1848 entstand dann unter König Ludwig I. die Klassizistische Großfestung Ingolstadt.
Nach der für Bayern unglücklichen Schlacht am Schellenberg bei Donauwörth (2. Juli 1704), wandte sich Markgraf Ludwig von Baden gegen Ingolstadt und begann am 13. August 1704 mit der Belagerung der Festung. Statthalter in Ingolstadt war damals Generalfeldmarschall Anton Graf von Montfort, während die rund 3000 bayerischen Verteidiger Ingolstadts von Generalwachtmeister Johann Wilhelm Freiherrn von Lützelburg kommandiert wurden. Dieser war ein am 16. Feb. 1656 geborener Sohn von Maria Anna Freiin Notthafft von Wernberg, einer Tochter Wilhelms II. von Wernberg zu Aholming (+ 1633), die mit Friedrich Wilhelm von Lützelburg verheiratet war. 4 Nach dem Vertrag von Ilbesheim vom 7. November 1704 wurde Ingolstadt schließlich den Kaiserlichen übergeben und blieb bis zum 25. Januar 1715 von österreichischen Truppen besetzt. Nach dem Abmarsch dieser Truppen hielt am genannten Tag das bayerische Infanterie-Regiment Kurprinz seinen Einzug in die Festung. 5 In dieses Regiment war Cajetan Ferdinand Maximilian, der etwa 1705 geborene Sohn von Georg Christoph Cajetan Notthafft Freiherrn von Weißenstein zu Ober- und Niederhatzkofen und dessen Gemahlin Maria Barbara von Closen zu Gern und Arnstorf, als Kadett eingetreten. 1725 sollte er im Rang eines Fähnrichs zum Regiment Valaise versetzt werden, durfte aber schließlich doch bei seinem alten Regiment bleiben. 6 In Ingolstadt lernte Cajetan Ferdinand Maximilian seine Gemahlin Maria Barbara von Perquere kennen, die er 1728 heiratete. Franz Notthafft Frhr v. Weißenstein nennt ihren Vater - nach einem Heiratsverzeichnis im Familienarchiv - Johann Christoph Freiherrn von Perquere, ihre Mutter Maria Anna Freiin von Beer und überliefert sogar deren Ahnenprobe. 7 Franz Xaver Ostermair hingegen schreibt in seinem Verzeichnis der Pfleger von Gerolfing: "Petrus Scipio de Berquere, er starb am 17. November 1723, seine Frau M. Victoria Therese am 29. März 1736. Von den Kindern desselben sind bekannt:
Ferchl ergänzt hierzu: "1692 25/4 1723 17/11 () Peter Scipio Deberguere (von Berguére), »Obristwachtmeister zu Fuß«. Er erhielt bereits 1690 10/5 Expektanz auf die Pflege. Wurde 1702 17/3 Oberstleutnant und »Commandant beim Landmilizbataillon in der oberen Pfalz« und ging dann als »Commandant über den kleineren Ausschuß« dorthin ab, während in seiner Abwesenheit der Gerichtsschreiber von Gerolfing dort zu amtieren hatte. 1707 ist Deberguere wieder in Gerolfing. Derselbe starb am 17. 11. 1723 zwischen 1 und 2 Uhr nachts. Er hatte 55 Dienstjahre anfangs bei Herzog Maximilian Philipp 5 Jahre als Edelknabe, dann in Kriegsdiensten in und außer Landes. Er war geboren in Chambéry in Savoyen, wo sein Bruder das Familienfideikommiß hatte und wohin auch Peter Scipio 1719 Reiselicenz erhielt. Deberguere erbaute das »Schlößl« Gerolfing und hatte viele Kinder, von denen eine Tochter den folgenden Pfleger Morawitzky heiratete, während Maria Katharina Barbara verheiratete Freifrau von Nothafft, geb. von Berguere wahrscheinlich auch eine Tochter des Peter Scipio war, weil des Letzeren Witwe Maria Theresia von Berguere den Gatten Baron Nothhaft der obigen Maria Katharina Barbara 1728 4/2 ihren Sohn (Schwiegersohn) nennt." 9 Die Ober- oder Märzenschwaig bei Gerolfing 10Die ersten beiden Kinder von Cajetan Ferdinand Maximilian und Maria Barbara kamen in Ingolstadt zur Welt: Cajetan Joseph Maria Notthafft am 30. November 1728 (er starb schon 6 Tage später) und dessen Schwester Maria Adelheid Sophia Franziska am 8. März 1730. Am 9. Oktober 1730 nahm Cajetan Ferdinand Maximilian noch immer als Fähnrich seinen Abschied aus dem Militärdienst. 11 Um diese Zeit erwarb er wahrscheinlich die zwischen Gerolfing und Weichering am südlichen Ufer der Donau gelegene Märzenschwaig. Hier wurde ihm am 19. Mai 1731 ein Sohn Ferdinand Max geboren. In der Taufmatrikel der katholischen Pfarrei Gerolfing heißt es: "baptiszati Parochii Gerolfing Ferdinand Max (Cajetan Franciscus Baron de Notthaft de Weißenstein modeno tempore auf der vulgo Merzenschwaig et Maria Barbara Catharina de Bherquere". 12Das Wort Schweige oder Schwaige bezeichnet nach Grimms Deutschem Wörterbuch "einen Viehhof, den dazu gehörigen Weideplatz oder die Heerde selbst". 13 Die Donauauen südwestlich von Ingolstadt boten beste Voraussetzungen für die Viehzucht. Die einflussreiche Ingolstädter Bürgerfamilie März begründete dieses Anwesen wohl noch im 15. Jahrhundert; 1507 wurde die "Merzen Swaig" im Salbuch des Castners von Ingolstadt zum ersten Mal erwähnt. 14 1554 erscheint die Schwaige "dem Prayttenhüller, Bürger zu Ingolstadt mit dem Aigentumb unnd Gült zugehörig". 15 Um 1600 gehörte die Märzenschwaig dem Ingolstädter Ratsherren Willibald Müllner von Zweiraden, der bei seiner Schwaige eine Kapelle errichten ließ, in der zeitweise Messe gelesen wurde. 16 Dessen Erben verkauften die Märzenschwaig am 23. April 1611 für 3000 rheinische Gulden an Sebastian Ilsung, bayerischer Pfleger zu Wildshut. 17 Dieser war mit Walburga, einer Tochter des 1611 verstorbenen Ingolstädter Bürgermeisters Willibald Müllner von Zweiraden verheiratet gewesen. 18 In der Regel bewohnen und bearbeiteten die Eigentümer ihre Schwaige nicht selbst, sondern überließen sie Beständnern gegen ein gewisses Pachtgeld, wie etwa 1683 der "Hochwohlgeborne Herr Philipp Freiherr von Piedtenfeldt" dem "Hans Praittner, Ingolstädtischen Mitbürger zu Haundszell", der die Märzenschwaig für den Zeitraum von 3 Jahren für ein jährliches Bestandsgeld von 40 Gulden pachtete. 19 Anders verhielt sich dies scheinbar mit Cajetan Ferdinand Maximilian Notthafft, der die Märzenschwaig mit seiner Familie teilweise selbst bewohnte. 1735 nahm er als "Inhaber der Merzenschwaig, churf. Pflegamts Gerolfing" ein Darlehen von 500 Gulden auf. 20 Damals mag er wohl schon in Ittelhofen gewohnt haben. Nach der Familienüberlieferung soll er "ein wilder Ritter gewesen sein, der kaum seinen Namen schreiben konnte. Einmal wollte er seine ganze Familie vergiften, wurde aber zum Glück entdeckt". 21 21 Kurz vor seinem Tod verkaufte er am 20. Februar 1741 die "bishero ingehabte Merzenschwaig, Churfürstl. Pfleggerichts Gerolfing, samt aller Ein- und Zugehörung" für 2550 rheinische Gulden und 50 Gulden Leihkauf an den Söldenbesitzer Caspar Öxler in Weichering. 22 Er starb am 28. März 1741 in Ittelhofen im 36. Lebensjahr und wurde in der dortigen Kirche begraben. Seine Frau folgte ihm dort am 15. Oktober 1764 im Alter von 68 Jahren und wurde an seiner Seite bestattet. 23
Das Notthafft-Grab in der Ingolstädter FrauenkircheDie Familiengeschichte weiß von einem einzigen Notthafft, der in den Mauern der Stadt Ingolstadt seine letzte Ruhe fand, und der war gerade einmal 6 Tage alt geworden. Es handelt sich um Cajetan Joseph Maria, den ältesten Sohn von Cajetan Ferdinand Maximilian Notthafft von Weißenstein. Eine kleine Solnhofener Steinplatte von 41 x 39 Zentimetern Größe erinnert an ihn, gleich beim Kommuniongitter der Corporis-Christi-Kapelle in der Ingolstädter Frauenkirche. Die obere Zeile der Inschrift und einige Buchstaben an der linken Seite wurden abgeschlagen, damit das Plättchen die Größe der übrigen Pflasterplatten erhielt. Dank dem Grabsteinbuch des Ignatius Dominikus Schmid läßt sich die Inschrift folgendermaßen vervollständigen: |
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Harald Stark | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|