11. Mai
Im erst jüngst vorbildlich renovierten Landgasthof
Stieglmühle
bei Poppenreuth nahm die diesjährige Notthafft-Exkursion mit einem opulenten
Mittagsschmauß ihren Anfang. Die Teilnehmer, die sich herzlich begrüßten und
sich viel zu erzählen hatten, waren von der gelungenen Renovierung des
historischen Mühlanwesens sowie über die weiteren Planungen zur Gestaltung des
Umfeldes sehr angetan.
Auf beste Weise gestärkt, führte uns der Weg zunächst hinauf auf den
Weißenstein,
wo uns die beiden Norberts von der Gesellschaft Steinwaldia über die jüngsten
Arbeiten und Ausgrabungen sowie über die weiteren Vorhaben im Bereich der alten
Notthafft-Burg informierten.
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Die Pfarrkirche St. Margaretha und das Schloß in Brand
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Im Laufe des Rundganges gesellte sich Frau Baronin
v. Gemmingen-Hornberg mit ihren beiden ältesten Enkelkindern zur Corona und
begrüßte uns im Namen ihrer Familie.
Nach etwa 2 Stunden in der Burgruine ging es dann weiter nach
Brand
bei Marktredwitz, wo uns Pfarrer Häberlein durch die Kirche führte. Vor allem
der seit einigen Jahren wieder in der Kirche aufgestellte Kanzelaltar, mit der
seltenen Anordnung von je 16 Ahnenwappen der Familien Marschall v. Altengottern
und v. Brand zu beiden Seiten des Kanzelkorbes erregte die Aufmerksamkeit der
Teilnehmer. Helmut Meissner aus Himmelkron, der sich über Jahrzehnte mit den
Kanzelaltären in Oberfranken beschäftigte, würdigte in seiner Abhandlung den
Brander Altar als einen der ältesten Kanzelaltäre dieses Raumes. Brand war der
Stammsitz des gleichnamigen, einst in Franken, Bayern und Böhmen
weitverbreiteten Geschlechts; die ehemaligen drei Edelsitze im Ort lassen sich
vom 14. bis in das 19. Jahrhundert als Afterlehen der Familie Notthafft
nachweisen. Sein heutiges Aussehen erhielt der weitläufige Schloßkomplex durch
Umbauten im 19. und 20. Jahrhundert.
Unser nächstes Ziel
Schirnding,
war einst vollständig im Lehensbesitz der Familie v. Notthafft. Die v.
Schirnding und v. Brand sind aufgrund der ähnlichen Wappen als Stamm- und
Schildgenossen anzusehen. Der Ansitz des noch 1454 in Schirnding
nachzuweisenden Friedrich Schirntinger kam wenig später in bürgerliche Hände
und diente über Jahrhunderte als Gasthof "Zur Goldenen Traube". Heute ist in
dem unmittelbar neben dem Rathaus gelegenen Gebäude die Schmidt-Bank
untergebracht.
Auf unserem Weg nach
Hohenberg a. d. Eger
machten wir einen kurzen Abstecher nach Bayerisch Fischern, wo die Röslau in
die Eger mündet, und zur Karolinenquelle. Dieser direkt an der Grenze zu Böhmen
gelegene Säuerling führt ein besseres Wasser als wir vermuteten und wurde von
zahlreichen Leuten die uns begegneten, in großen Mengen nach Hause getragen.
Nun besuchten wir die noch am besten erhaltene Burg im Fichtelgebirge und einst
zweitgrößte Festung der Hohenzollern im Fürstentum
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Die Freiungssäulen und der Felsenturm von Burg Hohenberg
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Brandenburg-Kulmbach-Bayreuth, die Burg Hohenberg. Diese war der Stammsitz der
mit den Notthafften verschwägerten Familie v. Hohenberg. Heute wird die
gepflegte Burganlage von zahlreichen Jugendlichen belebt, denn die Burg dient
seit den 50er Jahren als Jugendherberge. Die vier Freyhungssäulen, die heute im
Burghof zu einem Viereck mit etwa 6 Metern Seitenlänge aufgestellt sind und so
durchaus an einen Galgen erinnern, standen ursprünglich - bis zur Aufhebung des
Asyls 1796 - an den Ortseingängen Hohenbergs und markierten die Grenzen des
"Freistatt". Kam ein flüchtender, von seinen Verfolgern gehetzter Straftäter in
den Bereich einer dieser Säulen und konnte seinen Hut darüber werfen, so wurde
ihm Asyl gewährt. Im Bereich der nördlichen Ringmauer war auch noch ein Stück
des alten, in Fachwerkbauweise errichteten Wehrganges zu bewundern; nur die
moderne Metallaußentreppe am Fürstenhaus ist stilwidrig, wird aber zum Glück
von einem Baum weitgehendst verdeckt. Vom Felsenturm aus bot sich uns ein
erster weiter Blick ins Egerer Becken, bis hinauf nach Maria Kulm. Ein anderer
der fünf Befestigungstürme ist der Storchenturm. Das Storchenpärchen konnten
wir beim Verlassen der Burg kurz sehen, dann flogen die beiden zur Futtersuche
ins Böhmische.
Nun fuhren wir wieder westwärts und sahen nach geraumer Zeit die Türme von
Thierstein vor uns, wendeten uns jedoch nach Süden, wo wir den Burgstall
Neudürrlas
besuchten. Der Burgwall zeigt noch deutliche Spuren der einstigen Befestigung
und vor allem im Westen haben wir einen sehr tiefen Steilhang, der unten von
einem Bach umflossen wird. Diese Anlage ist als Vorgänger der Burg Thierstein
anzusehen und hatte somit schon sehr früh keine strategische Bedeutung mehr.
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Das Ensemble um das "Burghaus" in Thiersheim
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Danach fuhren wir in den Marktflecken
Thiersheim
und parkten dort gleich neben den drei Notthafft-Häusern. Das oberste davon hat
einen wehrhaften Charakter, wird auch als "Schloß" bezeichnet und war früher
durch einen Gang mit der benachbarten Pfarrkirche St. Ägidius verbunden. Hier
fiel uns gleich die sonderbare Form des Turmhelms auf, von dem wir glaubten,
daß er "schöps" auf dem Turme sitzt. Bei genauerem Hinsehen wurde uns jedoch
manches klarer, aber der Gesamteindruck der Kirche samt Umgriff ist eine
architektonische Seltenheit. Durch das Kirchenportal kamen wir zunächst in
einen rechteckigen gewölbten Raum mit vier mächtigen Säulen, von denen zwei
noch Stifterinschriften aufweisen. An der Orgelempore war auch ein Lobspruch
samt rotem Adler auf Markgraf Georg den Gründer angebracht. Heute steht die
Orgel allerdings unpassend auf der nördlichen Empore und verdeckt das
nordöstliche Kirchenfenster. Hinter der schönen Kanzel mit Ölgemälden am
Kanzelkorb und am Aufgang gibt es zu beiden Seiten je einen Chor mit gotischem
Gewölbe, wobei der kleinere im Norden in das Untergeschoß des Kirchturmes
integriert ist und durch seinen Fünfachtelschluß die etwas eigenartige Form
dieses Turmes verursacht. Die ursprünglich romanische Chorturmkirche (auf der
Nordseite der Kirche ist - von der Außenseite sichtbar -sogar noch ein
zugesetztes romanisches Rundbogenfenster erhalten) wurde in der Gotik zu einer
dreischiffigen Hallenkirche mit zwei Chören umgestaltet. Wir verließen die
Kirche wieder, machten noch einen Gang außen herum und gingen über die große
Treppe im Süden zu unseren Autos. Beim Blick zurück wurde uns noch einmal das
Wehrhafte dieses Ensembles sehr deutlich.
Die letzte Station an diesem Tag war das Steinwaldgasthaus Rosenberger in
Harlachberg, wo wir als erstes unsere Zimmerschlüssel abholten, denn hier
wollen wir zweimal übernachten. Nachdem wir uns kurz frisch gemacht hatten,
trafen wir uns in der Gaststube zum Abendessen und saßen noch lange gemütlich
beieinander, denn der Gesprächsstoff geht bei Notthafftologen nicht aus. Und da
wir am nächsten Tag nicht zu früh wieder los mußten, ließen wir die
Geselligkeit auch nicht zu kurz kommen.
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12. Mai
Am anderen Morgen kamen die Freunde nach und nach zum Frühstück und auch unser
Fahrer, Herr Max Küffner aus Nagel, gesellte sich zu uns. Um 8.30 war Abfahrt
und gut gestärkt fuhren wir Richtung Grenze.
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Der Schwarze Turm der Burg Eger
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Wir wählten den Grenzübergang nach
Hundsbach, Waldsassen – Heilig Kreuz und hatten kaum Wartezeit. Das erste Ziel
war die alte Stadt
Eger (Cheb),
wo uns der Max in der Nähe des ehemaligen Franziskanerklosters aussteigen ließ.
Dort ist heute das Egerer Kreisarchiv untergebracht und unser Mitnotthafftologe
Karel Halla ist dort beschäftigt.
Er hatte extra für uns auch am Samstag die
Pforten geöffnet und uns eine Anzahl von Urkunden zur Geschichte der Familie
Notthafft im Egerland bereitgelegt. Auch gab es in der Halle eine Büste von dem
früheren Archivar Karl Siegl und von seinem Vorgänger Heinrich Gradl sahen wir
in einer Vitrine seine Filzpantoffeln, sowie seinen Schreibtisch, den er zum
Bett umfunktionieren konnte.
Danach gingen wir zur Egerer Burg, wo Harald Stark und Karel Halla die Führung
durch die ehemalige Kaiserpfalz und die Doppelkapelle übernahmen. Südlich des
Schwarzen Turmes gab es ein kleines Museum für Fayencen, in dem auch ein
herrlicher Kachelofen mit Motiven aus dem Leben der Egerländer und Wappen der
böhmischen Städte zu bewundern war. Uns Spezialisten fiel selbst auf einige
Meter Entfernung das Notthafft-Wappen als Teil des Wappens von Wildstein an
diesem Ofen auf. Nun bekamen wir Hunger und Karel führte uns zu einem Lokal.
Innen ging es durch soviel Gänge und stets nach unten, so daß wir erst
glaubten, er führt uns in ein Verließ, aber wie durch ein Wunder kamen Getränke
und beste Speisen durch dieses Labyrinth sehr schnell zu uns.
Nach dem Mittagessen verließen wir die Stadt Eger nach Norden und sahen links
Franzensbad und vor uns den Kapellenberg, welcher bereits im Sächsischen liegt.
Dann ging es östlich weiter nach
Wildstein (Skalná).
Hier ist die Keimzelle des Geschlechtes Notthafft im Egerland, von hier aus
begann die großartige Karriere dieser Familie, wie sie vor allem durch die
Forschung von Harald Stark dokumentiert ist, von uns nun lebendig durch diese
Exkursionen nachvollzogen und im Jahre 2006 bei der Notthafft-Ausstellung im
Egerland Kulturhaus in Marktredwitz ihre Krönung bekommen wird.
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Der romanische Kapellenbau der Burg Wildstein
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Bis zum Jahre 1298 waren die Notthafft auf Wildstein, dann übernahm der
Schwiegersohn Jan Rabe die Burg. Dieses aus Mechelgrün im Vogtland stammende
Geschlecht nannte sich nun "Raab von Wildstein" und die Säcke von Geilsdorf
führten aus diesem Hause mehrmals ihre Frauen heim. So hat auch der Teilnehmer
Norbert Sack einen Bezug zu dieser Burg.
Eine Delegation erwartete uns schon und bereitete unserer sehr verehrten Frau
Baronin Marie Therese Notthafft von Weißenstein einen wahrhaft königlichen
Empfang. Es gab eine tolle Begrüßung mit Blumen; der Bürgermeister mit
Amtskette, der Schloßbesitzer und viele andere luden uns nun zu einer
Besichtigung ein. Wir staunten und freuten uns über die neue, vielseitige
Nutzung. Dann wurde alles bis zum tiefsten Keller inspiziert. Im nunmehrigen
Heizungskeller – im Kellergeschoß des ältesten Teils der Burg gelegen – wurde
uns auch ein Loch in der Wand gezeigt, in dem man ein menschliches Skelett
gefunden hatte, das zur Zeit in Prag antropologisch untersucht wird, später
aber wieder am Fundort bestattet werden soll. Die Burg zeigt besonders im
Bereich der Kapelle noch umfangreiche romanische Bausubstanz, die in die Zeit
vor 1200 zu datieren ist. Frau von Notthafft wurde mit Ölgemälde und
Goldrandteller beschenkt und trug sich nun in das Gästebuch und in die Chronik
des Hauses ein. Sie wurde auch gebeten, zur Einweihung des Burgrestaurants am
14. Juni 2001 als Ehrengast das Band zu durchschneiden.
Der Bürgermeister begleitete uns noch zum Friedhof, wo uns vor allem die alte
Kirche interessierte. Dieses dem heiligen Sebastian geweihte Gotteshaus war im
17. Jahrhundert als Dank für die Abwendung der Pest gestiftet worden. Von der
ehemaligen Ausstattung ist außer dem Gestühl und dem Unterbau des Altars nicht
mehr viel übrig geblieben; im Chor allerdings waren allerdings der noch farbig
gefasste Epitaph des Herrn Christoph Friedrich von Hertenberg auf Altenteich (+
4. April 1666 im 41. Lebensjahr), sowie die Grabsteine des Hans Andreas von
Trauttenberg, gestorben im Alter von 53 Jahren, des Kaspar von Wirsberg auf
Wildstein, gestorben 1607 mit 55 Jahren und der eines weiteren Herrn von
Trauttenberg zu bewundern.
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Die gewölbte Torhalle von Burg Altenteich
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An der Außenwand der Kirche sowie auf dem Friedhof
gegenüber des Kirchenportals sind Grabdenkmäler von den vorletzten Besitzern
Wildsteins, der Familie Wilhelm von Helmfeld erhalten.
Diese hatten auch zuletzt das nahe
Altenteich (St. Rybnik)
besessen, das unsere nächste Station war. Das sehr heruntergekommene Rittergut
wird zur Zeit noch von Zigeunern bewohnt. Unser Augenmerk galt aber mehr der
benachbarten Burgruine der Raben, die von Wildstein aus um 1360 diese Burg
erbaut hatten. Es ist noch viel, zum Teil auch sehr hohes Mauerwerk vorhanden,
auch gewölbte Räume. Doch man kann fast zusehen, wie das Gewölbe bald
einbrechen wird. Sonst ist die Anlage herrlich von zwei Teichen umgeben, die
von Baumbestand und wilder Natur stark eingewachsen sind. In dieser
romantischen Umgebung fühlen sich auch die Dorfkinder wohl und spielen gern in
der Ruine. Die Ehemalige Schloßkapelle neben dem Gut wurde in den letzten
Jahren aller kirchlichen Einrichtungen beraubt.
Von dem einst ebenfalls ganz unter notthafftischer Lehensherrschaft stehenden
Dorf
Ottengrün,
auch
Ottengründörfel (Otov)
genannt, sind heute nur noch Bodenwellen und einzelne Mauersteine auszumachen.
Der Ort wurde nach 1950 aufgelassen. Heute wird er lediglich von einigen
Bienenvölkern bewohnt. An der Straße zwischen Voitersreuth und Haslau, wo wir
unseren Bus abgestellt hatten, machte Norbert Reger eine aufregende Entdeckung:
"Dou drim siaht ma ja an Staawold!" Den Exkursionsteilnehmern wurde klar, wie
nahe die räumliche Beziehung zwischen dem ursprünglichen Kolonisationsgebiet
der Familie Notthafft um Wildstein und der späteren Herrschaft Weißenstein doch
ist.
Die ehemals egerische Burg
Seeberg (Ostroh)
haben wir uns nur von außen angeschaut. Im Bereich des Torhauses sind einige
Wappen der früheren Besitzer angebracht, darunter befindet sich das Wappen
derer v. Brandt. Die Burg wurde in den letzten Jahren aufwendig restauriert.
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Schloß Liebenstein
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Das dabei entstandene Interieur wurde von Dr. Sebesta einmal als
"quasipseudoneohistoristisch" charakterisiert. Wir betraten noch die
Eingangshalle der Schloßwirtschaft, in welcher man malerische Stiche von
egerländischen Burgen sehen konnte.
Das nächste Ziel war
Liebenstein (Libá).
Die Liebensteiner waren eine mit den Notthafft verschwägerte Familie und
stammten ursprünglich höchstwahrscheinlich aus dem am Fuße des Haidsteins
gelegenen Dorf Liebenstein bei Runding, von wo aus sie zusammen mit den
stammverwandten Herren von Haidstein, den Wetterfeldern, den Paulsdorfern und
anderen Ministerialen im Gefolge des Markgrafen Diepold III. in das Egerland
kamen. Hier gründeten sie den Sitz Liebenstein bei Tirschenreuth und 1264 wird
mit "Rupertus de Nuen libenstein" das heute noch egerländische Liebenstein
erstmals erwähnt. Nach dem Tode des letzten Liebensteiners um 1291 hatte
"Neuliebenstein" eine recht dunkle, unstete Geschichte. Von 1425 bis 1945
waren dann die Herren von Zedwitz im Besitz des Schlosses. Das Wappen der
Zedwitze war auch an einem neuzeitlichen Hoftor in der Nachbarschaft der
Schloßruine aufgemalt. Markant ist der hohe Schloßturm. Dann fiel uns vor allem
auf, daß das hohe Schloßdach nur zu etwa einem Viertel neu eingedeckt war und
oben lagen die Ziegelpakete, als ob man erst gestern noch Dach gedeckt hätte.
Es ist jedoch schon drei Jahre her, seit die Arbeiten eingestellt wurden, denn
die 10 Millionen Kronen der gegenwärtigen Besitzerin waren nur ein Tropfen auf
den heißen Stein: "Sie haben sich verplant, Madame ..." Der Text aus jenem Lied
würde hier zutreffen.
Nun ging es weiter nach
Markhausen (Pomezná).
Hier hatten die Notthafft zahlreichen Lehensbesitz, was in der Exkusionsmappe
nachgelesen werden kann. Darunter war auch die Mühle, mit 3 Mahlgängen. An
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Der Frankenturm in Markhausen
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Stelle des alten Mühlanwesens steht auch heute noch ein Gebäude, das allerdings
einen recht neuen Eindruck machte. Unweit steht in einem privaten Grundstück
der Rest des alten Burgturms, der auch Frankenturm oder Kasten genannt wird.
Außer der Mühle und dem Turm ist von der Ortschaft nicht mehr viel übrig
geblieben. Ein kleiner Hund betrachtete uns als Eindringlinge und bellte aus
Leibeskräften. Doch die Besitzer erkannten unsere guten, rein
wissenschaftlichen Absichten, so daß wir uns den Turm etwas genauer ansehen
konnten. In der Mitte des Bodens war eine Öffnung wie zu einem Verließ, ohne
Lampe wollten wir jedoch nicht hinunter gehen. Auch eine Schrift oder
Jahreszahl konnten wir nirgends entdecken, jedoch bei einem Rundumgang mehrere
Schießscharten.
Nun spürten wir schon leichte Müdigkeit und manch einer verschlief den
Grenzübergang und wachte erst wieder beim "Rosenbock", unserem Steinwaldwirt,
wieder auf. Hier trafen sich nach kurzer Erfrischung alle wieder im
Nebenzimmer, denn in der Gaststube feierte man eine Hochzeit.
13. Mai
Am Sonntagmorgen starteten wir zur gleichen Zeit, nahmen jedoch diesmal den
Grenzübergang Schirnding. Unser erster Besuch galt dem Dorf
Nebanitz (Nebanice)
mit seiner Kirche St. Oswald, wo wir schon von Kaplan P. Premysl Famera und von
Herrn Dr. Boldt aus Eger erwartet wurden. Kaplan Famera gehört dem böhmischen
Orden der Kreuzherren mit dem roten Stern an. Das Abzeichen war an seinem
schwarzen Talar zu sehen. Da er nur tschechisch spricht, machte uns Herr Dr.
Boldt mit der Geschichte und Kunst in der Kirche bekannt. Besonders der nun
schon recht wurmstichige Akanthusaltar von Karl Stilp, bekannt als Schöpfer der
Klosterbibliothek in Waldsassen, erregte unsere Aufmerksamkeit.
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Der Akanthus-Altar von Karl Stilp in Nebanitz
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Der junge
Kaplan, der auch die Gläubigen von Königsberg an der Eger betreut, hatte vor
drei Jahren die Kirche von dem in ihr abgestellten zahlreichen Gerümpel räumen
und sie gründlich reinigen lassen, um sie wieder für Gottesdienste nutzen zu
können. Glücklicherweise fand sich vor Ort eine Familie, die das Amt des
Kirchenpflegers übernahm. Heute werden die zwischenzeitlich regelmäßig
gehaltenen Messen in Nebanitz von einigen zwar wenigen, aber treuen Gläubigen
besucht. Leider wurde in den vergangenen Jahren mehrmahls in der Kirche
eingebrochen und dabei die ehemals vor dem Chor im Kirchenschiff aufgehängt
gewesene Strahlenkranzmadonna und andere bewegliche sakrale Kunstgegenstände
gestohlen. So haben wir dem Geistlichen Hilfe bei der Beschaffung von
Bildmaterial zur Rekonstruktion der ehemaligen Ausstattung der Kirche zugesagt.
Norbert Sack hatte im Friedhof einige Gräber der Familie Glückselig entdeckt
und fotografiert. Auf Nachrichten über diese Familie war er schon am Vorabend
in einem alten Buch von 1845 gestoßen, das ihm Baron v. Bechtolsheim geliehen
hatte. Abschließend erhielten alle Teilnehmer von Kaplan Famera den Segen.
Dieser Kaplan hatte wirklich eine ganz besondere Ausstrahlung.
Eigentlich wollten wir durch den Kaiserwald fahren, doch der vorgerückten
Stunde wegen fuhren wir gleich nach
Birndorf (Hrušková),
ehemals Nothaftsgrün. Das Dorf, das sich beiderseits der Straße einen Hang
hinaufzieht, war ehemals ganz in notthafftischem Lehensbesitz. Unter den vielen
relativ kleinen Wohnhäusern, die überwiegend im Stil des späten 19. und frühen
20. Jahrhunderts errichtet sind, fiel auch ein ansehnlicher Hof in
Fachwerkbauweise auf.
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Schloß Falkenau
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Dann ging es weiter nach
Falkenau (Sokolov).
Dort ließ uns der liebe Max am Marktplatz aussteigen und wir hatten nur wenige
Schritte bis zum Gasthaus "Koruna", das von außen gar nicht so vielversprechend
aussah. Innen angekommen, waren wir angenehm überrascht und als wir uns die
Speisekarte anschauten, hat`s uns fast umgehauen. Da stand doch z. B. ein
"Peitschenhieb des Samurai" auf der Karte, Harald Stark aß "südliches Huhn" und
daß Herr v. Bechtolsheim sein Essen überlebt hat, verdankt er nur seiner guten
Konstitution. Er verzehrte doch tatsächlich ein Gericht namens "Totschläger".
Zum Schloß, welches nun ein Museum beherbergt, war es nicht sehr weit. Die
viertürmige Anlage ist in gutem Zustand; von hier aus gründeten im 13.
Jahrhundert die Notthafft ihren Falkenauer Herrschaftsbereich. Das
umfangreiche, vielseitige Museum ist sehr schön aufgebaut und die Exponate,
Modelle, Karten und zum Teil auch in Deutsch verfaßten Texte hinterließen
einen bleibenden Eindruck bei uns.
Nun führte uns unser Programm zu einem herrlichen Stückchen Erde, nämlich nach
Hartenberg (Høebeny / Hartenberk),
Stammsitz des Geschlechtes der Hertenberger,
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Burg Hartenberg 1992 (vor der Zerstörung des Turmdaches)
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deren Wappen auch am Brander Altar
mit dabei war. Wir mußten ein Stückchen laufen, dann kam uns schon der Besitzer
der Schloßruinen entgegen. Er sprach ganz gut deutsch und für größere
Konversationen hatten wir ja unseren Karel als Dolmetscher. Noch bevor wir in
den Schloßbereich kamen, hatten wir an Hand von Unterlagen und Berichten einen
guten Eindruck davon gewonnen, was hier im letzten Jahrhundert alles passiert
ist. So bewohnten die Freiherren von Kopal das Schloß noch bis zur Vertreibung
1945. Dann überließ man alles, auch die Schloßbrauerei und Wirtschaftsgebäude
im Tal dem Verfall. Dem Schloß wurde erst 1985 durch Brandstiftung ein nicht
wieder gut zu machender Schaden mutwillig zugefügt. Es ist einesteils sehr
traurig, wenn man mit solchem Wissen durch den Schutt und die Ruinen geht, doch
kamen wir auch ins Schwärmen, als wir auf der oberen Terasse des verwilderten
Gartens uns in die Zeit zurückversetzten, als Johann Wolfgang v. Goethe hier
manche schöne Tage als Gast verbringen durfte. Auch ist es uns ein Trost, daß
die Natur dieses Kleinod wie einen Edelstein in ihrer guten Hand verbirgt und
letztendlich immer stärker war und ist als die Torheit mancher Menschen
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Der Akanthusaltar in Gossengrün
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Das vorletzte Ziel unserer Fahrt war die in der ehemaligen Herrschaft
Hartenberg gelegene Ortschaft
Gossengrün (Krajková).
Die Kirche machte schon von außen einen recht neu renovierten Eindruck. Im
Inneren überraschte uns dann ein kolossaler holzgeschnitzter Akanthusaltar,
dessen Gemälde aus der Schule Raffaels stammen sollen. Aber auch die äußerst
qualitätvollen manieristischen bzw. frühbarocken Seitenaltäre dürfen hier nicht
unerwähnt bleiben. Das Innere des Gotteshauses stand dem Äußeren in nichts nach
und machte einen äußerst sauberen und gepflegten Eindruck.
Als Abschluß hatte Karel für uns noch eine Führung durch die Wallfahrtskirche
Maria Kulm (Chlum sv. Máøí)
bestellt.
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Die Schöne Madonna in Maria Kulm
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Unsere Führerin stammte nach ihrem Bericht ursprünglich aus dem
Egerland, wuchs aber nach der Vertreibung in Holland auf, wo sie einen
Landsmann kennen lernte, den sie heiratete und mit dem sie dann wieder in die
alte Heimat zurückkehrte. Maria Kulm gilt noch immer, bzw. jetzt wieder als der
meistbesuchte Wallfahrtsort im Egerland. Besonders beindruckend ist die
hervorragend renovierte Gnadenkapelle, die als ältester Teil der gesamten
Klosteranlage (Propstei der "Kreuzherren unter dem Roten Stern" an der
Karlsbrücke in Prag) im Jahr 1666 errichtet wurde. Das Gnadenbild, das aus dem
Jahr 1280 stammt, ist in einem prachtvollen und reichen Altaraufbau
untergebracht. 1690 bis 1702 wurde die große Wallfahrtskirche errichtet, die
mit wertvollen Fresken von Elias Dollhopf ( * 1703 in Tachau + 1773 in
Schlaggenwald) geschmückt ist. Daneben sind vor allem die großen, äußerst
qualitätvollen Heiligenstatuen zu erwähnen; vor allem aber eine sogenannte
"Schöne Madonna" (Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert) auf dem linken Seitenaltar
der Wallfahrtskirche, deren Liebreiz kaum zu überbieten ist.
Norbert Sack und Harald Stark, September 2001
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